Woher kommt der Kaffee: Auf den Spuren der Kaffeebohne

Mein Name ist Dennis (24) und ich studiere Wirtschaftsingenieurwesen an der Fachhochschule Kiel mit dem Schwerpunkt Elektrotechnik. Als Nebenjob arbeite ich bei FairHandeln! GmbH, um mein Studium zu finanzieren und mich in einer weiteren Leidenschaft von mir, dem Kaffee, weiterzubilden. Im November 2022 hatte ich die Chance, Kaffeekooperativen in Nicaragua zu besichtigen und möchte meine Erfahrungen der Reise mit Ihnen teilen.

Reisehintergrund

FairHandeln! GmbH ist Teil der Importgemeinschaft „Mitka“ (Mittelamerikanische Im- und Export GmbH), die jährlich Reisen in die Gebiete aus denen sie Kaffee importiert, unternimmt. Dabei werden Handelsbeziehungen gepflegt. Zusätzlich überprüft die Mitka, ob Fairtrade- und Biostandards eingehalten werden. Die Mitka wurde 1986 gegründet, um die mittelamerikanische Solidaritätsbewegung zu unterstützen. Mehr Informationen dazu gibt es auf ihrer Website: http://www.mitka.de.

Reisebericht

Während meiner Reise mit der Mitka habe ich drei unterschiedlich große Kooperativen besichtigt. Die erste und kleinste Kooperative auf meiner Reise heißt „Reynerio Tijerino“. Sie befindet sich in der Nähe von San Juan de Rio Coco, im Norden von Nicaragua. Dort habe ich meine ersten Eindrücke von Kaffee-Kooperativen und deren Strukturen sammeln können.

Da sich viele Handlungsschritte wiederholen, versuche ich die Fairtrade- und Bio-Strukturen anhand von Beispielen bei den unterschiedlichen Kooperativenbesuchen zu erläutern. Um nach Fairtrade-Bedingungen bezahlt zu werden, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Eine Pflichtbedingung ist ein demokratisches System innerhalb der Kooperative mit geheimen Wahlen und Transparenz über geschäftliche Transaktionen, um informierte Entscheidungen treffen zu können. Im Fall von „Reynerio Tijerino“ gibt es fast jeden Monat ein Mitgliedertreffen im Kooperativen-Haus (Bild 1), bei dem die aktuellen Themen besprochen werden. In den vergangenen Jahren wurden diese Treffen besonders von Thematiken rund um die Corona-Krise geprägt. Ein weiterer wichtiger Punkt waren die Zufahrtsstraßen zu den verschiedenen Kaffeefeldern, da sie oft kaum passierbar sind.

Bild1: Koorperativen-Haus

Vor allem die Corona-Krise hat der Kooperative schwer zu schaffen gemacht. Die Angst vor einem schweren Verlauf und gleichzeitig der Mangel an medizinischer Versorgung ist für viele schwer nachvollziehbar, in Nicaragua aber leider Normalität. Da die Kooperative sehr klein ist und die nächste größere Stadt fast eine Stunde mit dem Auto entfernt ist, haben sich viele Mitglieder so gut es geht, von der Außenwelt abgeschottet. Dadurch wurde niemand nachweislich mit dem Coronavirus infiziert. Allerdings machten Geschichten von Coronatoten aus umliegenden Dörfern die Runde, die viele Mitglieder immer noch beunruhigen. Inzwischen sind alle vollständig gegen Corona geimpft. Der Impfstoff wurde über die Kooperative organisiert und an die Menschen vor Ort verimpft. Trotzdem haben wir uns während der Reise vor jedem Kooperativen-Besuch erneut getestet, um die Ansteckungswahrscheinlichkeit zu minimieren.

Aber nicht nur die gesundheitlichen Gefahren erschweren die Arbeit der Kooperative. Die Bank im nächstgelegenen Dorf hatte durch die Pandemie nur sehr unregelmäßig oder gar nicht geöffnet. Dadurch war es wesentlich schwieriger auf Hilfszahlungen, die auch von der Mitka gezahlt wurden, oder das eigene Kapital der Kooperative zuzugreifen. Das eigene Kapital wird benötigt, um die Mitglieder für den abgelieferten Kaffee zu bezahlen. Deshalb mussten bei allen Transaktionen längere Wege, die sowohl mehr Zeit als auch Geld kosteten, auf sich genommen werden. Da die Kooperative über kein eigenes Auto verfügt, mussten immer wieder Verantwortliche mit großen Bargeldbeträgen und dem dadurch entstehenden mulmigen Gefühl die öffentlichen Verkehrsmittel zur nächsten Bank nutzen. Inzwischen hat sich die Lage aber wieder entspannt.

Auch in Nicaragua sind die Lebensmittel- und Lebenshaltungskosten rapide gestiegen. Die Inflationsraten in diesem Jahr überschritten oftmals die 10%-Marke pro Monat. Gründe für die hohen Inflationszahlen sind die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg, welcher ebenso Auswirkungen auf Mittelamerika hat. Begründet durch schwere Unwetter in Brasilien und Nicaragua und dadurch resultierende Ernteausfälle war der Kaffeeweltmarktpreis im Jahr 2022 relativ hoch. Doch trotzdem und auch trotz Fairtrade-Bedingungen bleibt bei vielen Kaffeebauern am Ende des Monats kaum Geld über

Um zu überprüfen, ob die Fairtrade- und Bio-Bedingungen erfüllt werden, haben wir uns fincas angeschaut, auf denen der Kaffee produziert wird. Die Anzahl der besichtigten fincas variiert je nach Zeitfenster. Bei unserem Besuch bei „Reynerio Tijerino“ konnten wir uns zwei fincas ansehen. Die zwei Bauern die ich getroffen habe, sind stolze Kaffeebauern, die uns ihre kompletten Felder bis ins kleinste Detail zeigten und dabei den Anbauprozess nähergebracht haben. Dabei ist für uns gut zu erkennen, ob wirklich Bio-Anbau betrieben wird. Ein maßgebliches Indiz dafür ist die Artenvielfalt auf der Plantage. Vor allem die Insektenvielfalt ist ein guter Anhaltspunkt. Auch an den Düngemitteln, die sichtbar neben den Feldern stehen, kann man erkennen, ob es sich um Bio-Düngemittel handelt. Ob die Kaffeepflücker einen fairen Lohn bekommen war wesentlich schwieriger zu überprüfen, da die Kaffeeernte zu unserem Besuchszeitpunkt noch nicht begonnen hatte. Deshalb mussten wir die Informationen bezüglich des Lohns aus den Gesprächen mit den Bauern ziehen. Um alle Phasen des Kaffeeanbaus zu überprüfen verändert sich der Reisezeitpunkt jährlich.

Bild 2: Mitka + Koorperativen-Mitglieder von „La Providencia“

Nach dem Aufenthalt bei „Reynerio Tijerino“ ging es für die Reisegruppe weiter nach Wiwili im Norden Nicaraguas zu der Kooperative „La Providencia“. Wiwili wird von dem Fluss Coco durchtrennt. Früher war der Warenaustausch nur per Boot oder in der Trockenzeit, wenn der Fluss nicht so viel Wasser führt, möglich. Seit neuestem gibt es eine große Brücke, die beide Stadtteile verbindet. Dadurch erhoffen sich die Menschen in der Region ein wesentlich vereinfachtes Handeln.

Am Anfang unseres Besuches haben wir uns mit einigen Mitgliedern im Kaffeeshop der Kooperative getroffen. Der Shop wurde mithilfe von Fördergeldern der Mitka und vom Heidelberger Partnerschaftskaffee ins Leben gerufen (Bild 2). Nach einem kurzen Austausch ging es für uns direkt weiter zu zwei fincas. Die Region um Wiwili wurde letztes Jahr besonders stark von Unwettern getroffen und viele Bauern äußerten sich laut Aussage der Kooperative entmutigt und besorgt über ihre Zukunft im Hinblick auf den Klimawandel. Trotz hoher Kaffeepreise stecken viele Bauern auch hier in Schwierigkeiten, weil sie zusätzlich zu den steigenden Lebenshaltungskosten auch noch Reparaturen finanzieren und Ernteverluste kompensieren müssen.

Der erste Kaffeebauer, den wir besucht haben hatte seine Produktion gerade teilweise von biologischen auf konventionellen Anbau umgestellt. Deshalb konnte er uns sehr gut die Unterschiede im Anbau erklären. Da die Mitka hier nur biologisch angebauten Kaffee einkauft, beziehen wir von diesem Bauern keinen Kaffee mehr. Trotzdem war es interessant, die unterschiedlichen Anbauweisen erklärt zu bekommen.

Grob zusammengefasst kann man sagen, dass wenn der Kaffee eine Bio-Zertifizierung erhalten soll, nur bestimmte Düngemittel benutzt werden dürfen (keine Chemie). Auch bei der Unkrautentfernung darf keine Chemie eingesetzt werden und das Unkraut wird per Hand entfernt. Aufwendig ist auch die Errichtung von „lebenden Barrieren“ aus Hecken, um Kontamination zu vermeiden. Die Mitka überarbeitet ständig mit den Kooperativen die Konzepte, um Bauern dabei zu helfen, den Kaffee biologisch anzubauen. Durch den Einsatz von natürlichen Düngemitteln wird dem Boden nicht geschadet und eine nachhaltigere Landwirtschaft kann betrieben werden. Außerdem ist das gesundheitliche Risiko für die Angestellten geringer, da sie nicht mit giftigen Chemikalien in Kontakt kommen. Häufig helfen Angestellte der Kooperativen den Bauern dabei, Bio-Konzepte wirtschaftlich sinnvoll umzusetzen. Der Mehraufwand wird durch eine Bio-Anbau-Prämie für viele Bauern attraktiv. Auch Fairtrade-Produkte haben Bodenschutzmaßnahmen integriert. Diese sind aber bei weitem nicht so strickt wie bei der Bio-Zertifizierung. Grundsätzlich wird durch Fairtrade am Ende immer mehr Geld für den Kaffee bezahlt. Beim fairen Handel erhalten die Bauern vor der Ernte eine Vorfinanzierung in Höhe von 60% des Gesamtkaufpreises. Die restlichen 40% werden nach Verkauf bezahlt, dies dauert ggf. etwas länger als bei konventionellen Ankäufen und die Anforderungen an die Qualität sind höher. Deshalb entschieden sich einige Mitglieder in den letzten Jahren dafür, den Kaffee auf eigene Faust z.B. an Straßenverkäufer zu verkaufen. Dadurch fehlte den Kooperativen der Kaffee, um die bereits abgeschlossenen Verträge zu erfüllen. Aus diesem Grund haben viele Kooperativen Mitgliederrückgänge. Unsere Verträge wurden bisher immer erfüllt, weil wir bessere Bedingungen bieten als die meisten anderen Händler. Was viele Bauern dabei nicht bedenken, ist das Kooperativen nicht nur konstant den Kaffee zu höheren Preisen abkaufen, sondern auch ein soziales Auffangnetz für die Mitglieder bilden. So wurden die schweren Unwetterschäden durch die Kooperativen und deren Partnern abgefedert. Auch die Mitka hat Kosten übernommen. Zudem gibt es bei Fairtrade immer eine Prämie, die für Projekte in den Kooperativen genutzt wird. Diese Prämie wurde bei „La Providencia“ in den vergangenen Jahren überwiegend in Wasserauffangbecken investiert. Dadurch können die fincas bis zu einer Woche ohne externe Wasserversorgung überstehen und in diesem Zeitraum autark leben. Vielen Familien hat das bei den Unwettern enorm weitergeholfen. „Reynerio Tijerino“ hat sich von der Fairtrade-Prämie eine Bibliothek gebaut und wird mit der Prämie im nächsten Jahr die Zufahrtsstraße ausbessern.

Nach einem Tag Pause ging es für uns weiter zu der größten Kooperative auf meiner Reise „SOPPEXCCA“. Die Kooperative ist so groß, dass sie ein eigenes Trocken-Beneficio besitzt. Hier wird die Kaffeebohne weiter getrocknet, die Pergamenthaut von der Bohne getrennt, schlechte Bohnen aussortiert und dann in Kaffeesäcken exportiert.  Ich war überrascht von der Größe und Professionalität der Kooperative. „SOPPEXCCA“ ist für mich das Paradebeispiel, wie eine Kooperative den Mitgliedern im alltäglichen Leben hilft. Durch Fairtrade-Prämien und NGOs werden viele Projekte umgesetzt, die den Mitgliedern das Leben vereinfachen. Das Mitka-Mitglied „Heidelberger Partnerschaftskaffee“ betreibt hier zum Beispiel ein Stipendiums-Projekt, bei denen Kinder der Mitgliederfamilien Zuschüsse bekommen, wenn sie sich die Schule oder ein Studium nicht leisten können. Die Stipendiaten haben bei unserem Besuch Vorträge darüber gehalten, auf welche Weise ihnen das Stipendium hilft (Bild 3). Mir ist dabei aufgefallen, wie gut die Kinder im Vergleich zu ihren Eltern gebildet sind. Während diese zum Teil nicht lesen und nicht schreiben können konnte ich mich mit den jungen Frauen und Männern manchmal sogar auf Englisch unterhalten. Das zeigt, wie wichtig solche Projekte sind und was sie für eine Wirkung erzielen. Durch die angespannte politische Lage haben die USA und jetzt auch Europa Sanktionen verhängt, die das Arbeiten der NGOs kaum noch möglich machen. Dadurch fallen bei vielen Kooperativen Hilfsgelder weg auf die sie angewiesen sind, dadurch sind die Fairtrade-Hilfen noch wichtiger als zuvor.

Bild 3: Kaffeebäuerin im Kaffee-Trocknungstunnel mit Rohkaffee, welcher auch in dem Kaffee von Fairhandeln! GmbH verarbeitet wird

Interessant ist auch zu sehen, wie die unterschiedlichen Kooperativen ähnliche Probleme haben, aber durchaus anders damit umgehen. „SOPPEXXCA“ hat viel Geld ihrer Fairtrade- Prämie in Trocknungstunnel für die Mitglieder investiert. Dadurch wird die Trocknung des frisch geernteten Kaffees in dem doch zum Teil feuchten Klima erheblich beschleunigt (Bild 3). Bei unseren Besuchen auf den fincas hatte jedes Mitglied, welches eine entsprechend große Fläche bewirtschaftet, einen Trocknungstunnel auf dem Gelände stehen.

Viele Bauern haben während unserer Gespräche auch die mangelnden Arbeitskräfte angesprochen. Viele Nicaraguaner treibt es wegen der Perspektivlosigkeit ins Ausland. Vor allem die USA sind ein beliebtes Ziel. Eine Flucht ist mit vielen Risiken verbunden. Viele Flüchtende kommen nicht zurück, weil sie entweder auf dem Weg sterben oder nicht ausreichend Geld für eine Rückkehr haben. Leider schaffen es nur die wenigsten, sich ein besseres Leben aufzubauen. Doch die Erfolgsgeschichten motivieren viele junge Nicaraguaner die Risiken für ein besseres Leben einzugehen. Diese Menschen fehlen dann wiederum um die Kaffeeernte zu bewältigen.

Am zweiten Tag haben wir uns die hauseigene Biodüngerproduktion zeigen lassen. Wenn es die Bauern wünschen, können sie auch zu Teilen in Dünger ausgezahlt werden. Dies hat den Vorteil, dass nicht so viel Bargeld im Umlauf ist und der Dünger sowieso benötigt wird.

Danach sind wir noch kurz in das Trocken-Beneficio gefahren. Zum Zeitpunkt unseres Besuches hatte die Kaffeeernte noch nicht begonnen, sodass die Maschinen noch nicht liefen und ich sie mir deshalb nicht in Betrieb ansehen konnte. Außerdem haben wir an einer Kaffeeverkostung teilgenommen und uns die Röstmaschinen angeschaut. Viele Kooperativen rösten inzwischen ihren Kaffee auch selber. Einmal für den lokalen Markt, aber auch für den Export. Beim Export ins Ausland geht es vor allem darum weitere Schritte der Wertschöpfungskette im Land zu halten, damit mehr Geld verdient wird und Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Mitka ist auch sehr daran interessiert einen in Nicaragua gerösteten Kaffee zu importieren. Aus diesem Grund haben wir uns ganz genau erklären lassen, wie die Röster beim Rösten vorgehen, um deutschen Qualitätsstandards zu entsprechen. Vielleicht bietet auch FairHandeln! GmbH bald einen Kaffee an, der in Nicaragua geröstet wurde. Nach dem Besuch des Trocken-Beneficios war dann für mich die Reise zu Ende.

Fazit

Trotz der hohen Kaffeepreise in 2022 sind die Bauern in Nicaragua mehr denn je auf Unterstützung und faire Preise angewiesen. Die Corona-Pandemie und Unwetter haben vielen Kooperativen schwer zu schaffen gemacht. Zusätzlich belasten die enorm gestiegenen Lebenshaltungskosten und die Auswanderungswelle viele Bauern.

Ich bin der Meinung, dass für die Überwindung der Herausforderungen die Kooperativen eine sehr wichtige Rolle spielen. Sie leisten enorm viel soziale Arbeit für die Gemeinden und zahlen planbar höhere Kaffeepreise. Ich hoffe, dass auch weiterhin eine starke Zusammenarbeit der Mitka mit den Kooperativen stattfindet und die politische Lage in Nicaragua nicht dazu führt, dass Handelsbeziehungen und am Ende die Bauern darunter leiden müssen. Ich habe mit meinen eigenen Augen gesehen, was für enorme Fortschritte durch das Geld aus fairem Handel in den Bereichen Sozialsystem, Bildung und Straßenbau erzielt wurden.

Zum Abschluss möchte ich mich noch einmal bei allen Kooperativen-Mitgliedern bedanken, die uns unglaublich freundlich aufgenommen haben und alles bis ins kleinste Detail gezeigt haben. Auf der gesamten Reise wurde mir von allen Menschen, mit denen ich Kontakt hatte, unfassbar freundlich weitergeholfen.

Außerdem möchte ich mich noch bei den mitgereisten Mitgliedern der Mitka – die mir die Reise überhaupt ermöglicht haben – bedanken!