Auch wenn die Corona-Krise weltweit alle trifft, liegt der große Unterschied in der Ausgangslage. In den Kaffeeregionen Zentralamerikas war sie schon vor Corona schlecht genug: niedrige Kaffeepreise und der Klimawandel bringen die Kaffeeproduzent_innen bereits seit Jahren an die Grenze des Erträglichen. Jede noch so kleine Auswirkung der Pandemie hat hier schnell drastische Folgen.

Erste Maßnahmen

Die Reaktionen der Länder waren unterschiedlich. Die Bandbreite ging von sehr strengen Ausgangssperren in Honduras und El Salvador zu zunächst sehr wenigen Maßnahmen in Nicaragua und Mexico. Gleich hingegen war, dass fast alle Kaffeekooperativen schnell selbstständig Präventionsmaßnahmen ergriffen, um ihre Mitarbeiter_innen und die Kaffeeproduzent_innen zu schützen. Sie erwiesen sich dabei als wichtige Netzwerke innerhalb ihrer Gemeinden, die Ressourcen und Informationen an diejenigen liefern, die sie am dringendsten benötigen.

So lässt beispielsweise die Kooperative SOPPEXCCA in Nicaragua über ein internes Kommunikationssystem den Kaffeeproduzent_innen Informationen und Aufklärung zum Virus und zur Lage zukommen, womit fehlenden Informationen und durch die sozialen Medien verbreiteten wilden Gerüchten Fakten und Aufklärung entgegengesetzt wurden.

Kooperativen wie La Voz (Guatemala), COMBRIFOL (Honduras) oder Miraflor (Nicaragua) haben Lebensmittelpakete an ihre Mitglieder verteilt, denn die Lebensmittelpreise sind in die Höhe geschnellt, während gleichzeitig vielerorts nun die öffentlichen Transportmittel fehlen, mit denen die Produzent_innen sonst in die nächstgelegenen Städtchen fahren, um Lebensmittel einzukaufen.

Situation auf dem Land

Auf dem Land, in entlegenen Gebieten, sind bislang noch nicht viele Infektionen aufgetreten. Das allerdings zu dem Preis, dass der Zugang zu diesen Regionen gekappt wird – alle wissen, dass das Risiko bei einer ernsthaften Erkrankung durch die Entfernung von Krankenhäusern sehr hoch ist. Der überdurchschnittlich häufig ohnehin prekäre Gesundheitszustand vieler Landbewohner_innen bringt zusätzlich ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf mit sich. Aufgrund der Zugangsrestriktionen konnte nun die Kooperative Yeni Navan in Mexico einen Teil des geernteten Kaffees nicht schnell genug zur Kooperativenzentrale bringen. Die Kooperativenmitglieder hatten erstmalig Kaffee in Gourmetqualität produziert, den sie zu einem guten Preis verkaufen wollten, nun jedoch als regulären Kaffee vermarkten müssen.

Das höchste Risiko auf dem Land entsteht in Kirchen und Schulen. Viele Kooperativen übernehmen dort eine Vorbild- und Orientierungsfunktion und können mit geringen Mitteln viel ausrichten. Die nicaraguanische Kooperative Reynerio Tijerino beispielsweise hat der örtlichen Schule Desinfektionsmittel und Masken zur Verfügung gestellt.

Auswirkungen in Kaffeeanbau und -verarbeitung

In Zentralamerika war günstigerweise die Ernte bei Ausbruch der Pandemie bereits beendet. Probleme treten nun im Prozess der Verarbeitung und Verschiffung auf. Durch die coronabedingten Beschränkungen – seien sie staatlich verhängt oder von den Kooperativen in Eigenregie eingeführt – müssen die Verarbeitunganlagen im Mehrschichtbetrieb arbeiten, was höhere Kosten mit sich bringt. Zur Sortierung des Kaffees stellen die meisten Kooperativen saisonal Frauen aus der Umgebung an. Zwei unserer nicaraguanischen Partnerkooperativen berichten, dass sich viele Mitarbeiter_innen nicht mehr trauen, zur Arbeit zu kommen, da es keine ausreichenden Zahlen zur örtlichen Infektionslage gibt. Die Kooperativen wissen nie, mit wie vielen Mitarbeiterinnen sie am Tag rechnen können. So geht die Sortierung nur schleppend voran oder muss tageweise ganz ausgesetzt werden. In einer Kooperative ist die Verkosterin an COVID-19 erkrankt, die die Vorverschiffungsmuster vorbereitet – eine Bedingung für den Export, der jetzt warten muss.

Die Verschiffungen verzögern sich zudem, weil durch den aus dem Takt geratenen globalen Warenfluss Container nicht zur Verfügung stehen oder die Häfen und Verarbeitungsanlagen nur mit halber Kraft arbeiten. An der Grenze zwischen Nicaragua und Costa Rica, von dessen Atlantikhafen Puerto Limón viele Container verschifft werden, stecken immer wieder tage- und wochenweise die Kaffeecontainer fest, da sich die beiden Länder nicht auf ein Prozedere zur Vermeidung von Infektionsrisiken einigen können. Durch all diese Faktoren verzögern sich die Einnahmen aus dem Kaffeeexport und Zinsen laufen auf.

Einige Käufer, die keinen engen und langfristigen Kontakt zu den Kooperativen pflegen, haben sogar Verträge annulliert, nachdem klar war, dass sich die Verschiffungen verspäten werden und die Qualität nicht vor Ort geprüft werden kann.

Es ist sehr viel schwieriger geworden, Material und Dünger auf die Kaffeeparzellen zu bringen. Die technische Beratung in Form von Agrartechnikern, die auf das Land fahren und die Kaffeeproduzent_innen beraten, kann ebenfalls nicht stattfinden. Beides wird sich bei der nächsten Ernte in Ertragseinbußen niederschlagen.

Wenn im Oktober dann die nächste Ernte beginnt, wird es neue Schwierigkeiten geben. Es ist offen, ob genug Arbeitskräfte da sein werden: fast alle Kaffeeproduzent_innen, auch die meisten Kleinproduzent_innen, sind darauf angewiesen, während der Ernte Erntehelfer_innen zu beschäftigen. Nur dann ist es möglich, die hohe Qualität zu garantieren, indem jede Kaffeekirsche zum richtigen Zeitpunkt geerntet wird. Die Transporte und ggf. Unterkünfte der Erntehelfer_innen werden der physischen Distanzierung angepasst werden müssen. Das bedeutet mehr Fahrten und mehr Unterkünfte. In vielen Regionen wird es deswegen sehr schwierig sein, die Ernte vollständig einzubringen. Insgesamt muss mit deutlich höheren Erntekosten und Ernteverlusten gerechnet werden.

Sehr besorgt sind die Kaffeeproduzent_innen um die Finanzierung der anstehenden Ernte. Nur im fairen Handel bekommen sie eine garantierte Vorfinanzierung. Die weiteren Mengen fürchten sie mangels Finanzierung nur in geringerem Ausmaß ernten zu können. Das betrifft vor allem Nicaragua, wo die Finanzierungslücken nicht nur ein Resultat der wirtschaftlichen Krise durch COVID-19 sind, sondern auch den Auswirkungen einer politischen Krise geschuldet ist.

Einkommensverluste

Neben den direkten Hilfsmaßnahmen wird es darum gehen, Einkommenseinbußen auszugleichen. Diese betreffen zum Teil die Kooperativen selber: Mehreinnahmen, die einige Kooperativen durch den Ökotourismus oder den Betrieb kleiner Cafés haben, und die ihnen einen finanziellen Spielraum verschaffen, fallen weitgehend weg. Die Kooperative Las Lajas in El Salvador beispielsweise ist auf die Einnahmen aus der Ferienanlage Lajamaya angewiesen, um Löhne zu bezahlen und die Rentner_innen unter den Kooperativenmitglieder zu versorgen. Traditionell ist die Anlage vor allem

zur Osterzeit ausgebucht – die diesjährige Saison fiel vollständig flach. Die Kooperativen SOPPEXCCA (Nicaragua) und La Voz (Guatemala) betreiben Cafés, in den sie ihren Kaffee vermarkten, und mussten diese schließen bzw. auf Außer-Haus-Verkauf umstellen. Das kleine Café der Kooperative La Providencia in Wiwilí, Nicaragua, ist zwar noch geöffnet, jedoch kaum besucht.

Viele Kaffeeproduzent_innen hatten sich in den letzten Jahren angesichts der niedrigen Kaffeepreise um weitere Einkunftsquellen bemüht. Oft waren Familienmitglieder für mehrere Monate im Jahr in Nachbarländer oder die USA migriert, um als Saisonarbeiter zu arbeiten. Andere haben diversifiziert und Produkte auf dem lokalen Markt verkauft. All diese Einkommensquellen fallen nun weg. Gleichzeitig sind die Kaffeebäuer_innen mit Ernteeinbußen und höheren Kosten konfrontiert.

Angesichts dieser Situation möchte die Mitka ihren Handelspartnern Gelder aus einem Solidaritätsfonds zur Verfügung stellen. Wir sind überzeugt, dass immer dort, wo gemeinschaftlich, solidarisch und organisiert gehandelt wird, die Krise am besten zu bewältigen ist.

Fátima Ismael, Geschäftsführerin unseres Handelspartners SOPPEXCCA, sagt:

„Wir wissen, dass diese globale Pandemie uns wirtschaftlich schaden wird, aber wir hegen weiterhin die Hoffnung, dass die Lehre, die wir angesichts der Verwundbarkeit des Planeten und seiner Bewohner daraus ziehen werden, der Aufbau einer Welt mit sozialer und ökologischer Gerechtigkeit sein wird. Einer Welt, in der die Menschen in ihrer Gesamtheit ihr normales Leben wieder aufnehmen können, aber mit größerem Respekt für die Erde und ihre Lebensgrundlagen, für das Zusammenleben und die Nachhaltigkeit, und in der wir uns als Brüder und Schwestern ohne Unterscheidung nach Politik, Religion, Klasse, Geschlecht oder Herkunft verstehen.“